Nichts für Gfrörlis!

Der Kurtourismus kommt in Engelberg mit der Eröffnung der pompösen Kur- und Wasserheilanstalt 1899 richtig in Fahrt. Kuren und Kurreisen waren jedoch nicht neu: Bäderkuren gab es in Europa seit der Antike und sie erfreuten sich auch im Mittelalter und in der frühen Neuzeit grosser Beliebtheit.

Ein Blick in die Architekturpläne der Hotelanlage der Kuranstalt zeigt die Vielfalt des Bäderangebotes in der damals«höchst gelegenen Kaltwasserheilanstalt der Schweiz» (Bäder-Almanach 1900).

Die Kuranstalt war mit «eleganten Fayence-Wannen und Bassins» ausgestattet, das Heilbäderangebot war vielfältig und bot nebst dem «Vollbad, Halbbad und Sitzbad Dampfkastenbäder, Regen-, Strahl- und Fächerdouchen, Dampfdouchen, wechselwarme (schottische) Douchen, sowie Sitz- und aufsteigende Douchen» an. Das umfangreiche Bäderangebot erstaunt; jedoch muss man eines wissen: die meisten Wasseranwendungen hatten eine Temperatur von 6-8 Grad Celsius. Sie wurden denn auch nur kurz oder in Wechselwirkung mit warmem Wasser angewendet – trotzdem nichts für Gfrörlis! Nebst dem Bäderangebot gehörte auch ein sogenanntes «medico-mechanisches Institut» - ein Gymnastiksaal - zum Gesundheitsangebot. Die Gerätschaften entsprachen den neuesten medizinischen Erkenntnissen und waren den modischen und sittlichen Begebenheiten der Zeit angepasst. Ein Blick auf eine Werbegrafik aus der Zeit zeigt: Da war noch nichts mit «Activitiy-Wear», atmungsaktiven T-Shirts, Stretchleggins und Sport-BH…

Der «Activity Concierge» gibt Auskunft

Engelberg hat heute als Kurort weitgehend ausgedient – die Zeiten haben sich geändert. Während die illustre Gästeschar um die Jahrhundertwende das Baden und die körperliche Ertüchtigung vor allem als medizinische Massnahme gegen allerlei Gebrechen nutzte und den Sommer über 3-6 Wochen zur Kur in Engelberg blieb, ist heute Wochenend-Wohlfühlen angesagt.

Ich habe mich bei Nicolai Fallet, «Activity Concierge» im Kempinski Palace Hotel nach den Bedürfnissen des heutigen Gastes erkundigt. Diese wünschen sich – je nach Herkunft – Ruhe und eine Auszeit vom Alltag, aber auch sportliche Erlebnisse wie Skifahren oder Wandern, erklärt mir Nicolai Fallet. Seine Aufgabe ist es, den Gästen mögliche Aktivitäten vorzuschlagen und die gewünschten Erlebnisse zu organisieren. Eine Wellnessanlage sei bei einem 5*Hotel heute Standard und präzisiert: Bei weiter hergereisten Gästen stünden die Touristen-Attraktionen (Titlis, Kutschenfahrten, Käseproduktion) und das luxuriöse Erlebnis im Hotel sowie Shopping an vorderster Stelle. Nach einem erlebnisreichen Tag können sich die Gäste im wohltemperierten Infinity-Pool über den Dächern Engelbergs mit Blick auf die imposante Bergwelt erholen.

Schwimmen und «Wellnessen» in Engelberg

Vieles hat sich verändert, seit Engelberg um die Jahrhundertwende erlauchte Gäste zur Kur empfing. Der aufkommende Wintertourismus ab 1905 und der Ausbruch des 1. Weltkrieges 1914 läuteten bereits das Ende dieser Ära ein. Die Geschichte der Engelberger Kur- und Wasserheilanstalt findet ihr definitives Ende mit dem Abriss der Anlage im Jahr 1954. Heute gibt es in Engelberg diverse Wellness- und Bäderangebote: Wer das sportliche Schwimmen mag oder mit der Familie einen Tag im Wasser verbringen will, der ist im Schwimm- und Freibad Sonnenberg gut aufgehoben! Geniesser zieht es ins Felsenbad im Alpenresort Eienwäldli oder in das «Alpine Wohlfühlbad» im Hotel Waldegg, hoch über Engelberg.

Kontakt

Nicole Eller Risi ist Leiterin des Tal Museums wird in mehreren Blogbeiträgen über die Welt der Grand Hotels in Engelberg berichten. Sie hätte gerne einmal die «eleganten Fayence-Wannen und Bassins» in der Kuranstalt selbst ausprobiert.