Ich wollte dieser Passion etwas näher kommen und begleitete deshalb einen Jäger. Es ist der 10. September, in Engelberg läuft die zweite Jagdwoche. Um 4.30 Uhr habe ich mit Patrik Emmenegger abgemacht. Er ist passionierter Jäger, freiwilliger Jagdaufseher, Präsident des einheimischen Jägervereins und Mitglied der Jägerprüfungskommission. Er ist Sohn eines Jägers, Ehemann einer Jägerin. Die Liebe zur Jagd fliesst durch sein Blut und er ist geradezu prädestiniert dafür, mich ins Jägerlatein einzuführen.
Steil hinauf in den Breitwald
Patrik hat im Breitwald beim Geissberg einen Jagdunterstand eingerichtet. Zu diesem Plätzchen führt kein Wanderweg. Im Dunkeln, ausgerüstet mit einer kleinen Taschenlampe, führt er mich hinauf ins steile Gelände. Zum Teil ist es so steil, dass er Seile montiert hat, wo wir uns halten können. Seinen Jagdunterstand dürfen alle Jäger nutzen, doch da er in so steilem, schwer zugänglichem Gelände ist, ist er nur für eine Minderheit der Jagdkollegen erreichbar. Bei jedem Schritt frage ich mich: Wie bringen wir denn hier ein allfällig geschossenes Tier wieder hinunter?
Still und leise
Auf den letzten Metern löschen wir unsere Lampen. Gesprochen haben wir schon lange nicht mehr. Die Tiere sollen uns ja weder hören noch sehen. Wortlos und so wie wir es im Tal besprochen haben, richten wir uns in Patriks Unterstand ein. Von nun an sitzen wir still und leise in unseren Stühlen. Bequem und gemütlich. Nach der körperlichen Anstrengung beginnt das Meditative. Der Blick richtet sich einzig in die Waldschneise, wo wir ein Tier erhoffen. Keine Ablenkung durch andere Leute, Handys oder Lärm. Nur wir und der Wald. Nur wir und mal ein Eichhörnchen, das vorbeispringt. Aber kein erhoffter Hirsch. Keine Gämse, kein Reh, nichts. Auch nach fast drei Stunden Beobachten und den Gedanken nachhängen, nichts.
Abbruch...
Wir entscheiden, abzubrechen. Patrik zeigt mir stattdessen im Wald, wie er nach Spuren der Tiere sucht, erklärt mir die Namen von Pilzen und Blumen. Sein Wissen fasziniert mich. Es ist wunderschön zu hören, wie die Jäger im Einklang mit der Natur leben und so vieles von ihr wissen. Jetzt, wo wir nicht mehr flüstern oder ganz schweigen müssen, erzählt er mir vieles über seine Leidenschaft. «Ich freue mich jeweils auf die Jagd wie ein Kind auf Weihnachten», erklärt er.
...ohne Enttäuschung
Tage wie heute, wo man kein Tier zu Gesicht bekommt, gehören zur Jagd dazu. Stattdessen erfreut sich Patrik an der Natur, so wie er es auch unter dem Jahr oft tut. "Das Erlebnis zählt." Mit Freude denkt er auch heute noch daran, wie er vor einem Jahr von diesem Platz aus einen Hirschstier geschossen hat. 160 Kilogramm schwer war das Tier. Und hier kommt dann auch die Antwort auf die Frage, wie er so ein Tier ins Tal bringt: Zusammen mit vier herbeigerufenen Kollegen hat er es an Seilen den Wald hinuntergelassen. Einen halben Tag hat das gedauert.
Danke Patrik
Auch wenn wir ohne Tier zum obligaten Kaffee ins Eienwäldli gehen, war es für mich ein unvergesslicher Morgen. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass ein Jäger, eine Begleitung mitnimmt. Umso mehr weiss ich es zu schätzen, dass mir Patrik seine Leidenschaft für das vielschichtige Hobby nähergebracht hat. Mir haben die körperliche Betätigung in der Natur, die Ruhe und die Liebe zur Natur gefallen. Wie es sich anfühlen muss, als Lohn für die Arbeit unter dem Jahr, die übrigens ein Dienst an die Öffentlichkeit ist (Schusstraining, Hege und Pflege etc., Tierbeobachtung etc.), mit einem Tier belohnt zu werden, kann ich nur erahnen.
Wild essen
Meine Top 3 in Engelberg, um sehr feines, einheimisches Wild zu geniessen:
• Restaurant Ende der Welt
• Restaurant Wasserfall
• Restaurant Ritz, Gerschnialp
Autorin
Text und Bilder: Andrea Hurschler
Andrea Hurschler hätte sehr gerne einen Hirschstier gesehen – dem grössten Wildtier in Engelberg ist sie nämlich noch nie in freier Natur begegnet. Patrik hat ihr versprochen, sie nach der Jagd auf eine Wildbeobachtung mitzunehmen und ihr diesen Wunsch zu erfüllen.